So überzeugst du mit kluger Argumentation
So überzeugst du mit kluger Argumentation
Letztes Wochenende war ich auf einer Konferenz, die „Klären, streiten, argumentieren“ hieß. Wissenschaftler haben ihre Forschungsergebnisse vorgestellt, unter anderem zu diesen Fragen:
- welche Rolle spielt die Kunst des Argumentierens in einer Demokratie?
- wie lernen Kinder das Argumentieren?
- mit welchen rhetorischen Strategien arbeiten Populisten?
Als ich den interessanten Vorträgen zuhörte, wurde einmal mehr klar, wie eng Rhetorik und Politik zusammen hängen. Und wie wichtig die Kunst der Gesprächsführung für unser friedliches Zusammenleben ist.
Einige meiner Erkenntnisse möchte ich hier mit dir teilen. Und dir zwei Techniken verraten, die dir helfen können, andere Menschen zu überzeugen.
Technik 1: Argumentiere aus der Sicht der anderen Person
Anja ist schon mehrere Abende hintereinander allein zu Hause, nun sehnt sie sich nach Gesellschaft. Sie wünscht sich, dass ihre Freundin Marie vorbeikommt, die im gleichen Stadtteil wohnt. Sie könnte nun Marie anrufen und ganz ehrlich und direkt argumentieren:
„Hallo Marie, mir ist langweilig und ich fände es schön, wenn wir uns heute Abend sehen. Ich habe aber keine Lust zu dir zu kommen, also wäre es toll, wenn du herkommst. Ich würde gern einen Film gucken und dabei Pizza essen und fände es unheimlich schön, wenn du mir dabei Gesellschaft leisten würdest.“
Man kann sich vorstellen, dass sich in Marie ein leichter Widerstand aufbaut und dass sie spontan schon etwas anderes vorhat.
Klüger argumentiert Anja in dieser Form:
„Hallo Marie, ich hab mich gefragt, wie es dir geht, und würde dich gern heute Abend zum Essen einladen. Du isst doch gern Pizza, ich kann welche machen. Außerdem hast du neulich gesagt, du würdest gern mal wieder die alten Harry-Potter-Filme ansehen. Ich habe alle auf DVD da, vielleicht hast du Lust, einen anzusehen?“
Um jemanden zu überzeugen, hilft es oft, sich zu fragen, was für die andere Person ein gutes Argument wäre. Beide Argumentationsformen im obigen Beispiel sind wahr, aber Anja wählt unterschiedliche Aspekte der Wahrheit aus, um gezielt ihre Freundin zum Handeln zu bewegen.
Dazu ist es nötig, sich ein wenig mit der anderen Person zu befassen, vielleicht zu recherchieren und zu erfahren, was sie bewegt. Je besser wir jemanden kennen, desto gezielter können wir argumentieren.
Technik 2: Erzähle deine Geschichte – und höre zu
In den letzten Jahren sind viele von uns an tote Punkte in Gesprächen geraten, in denen die Ansichten sehr weit auseinandergingen. Politische Themen, in denen man unterschiedlicher Ansicht sein kann, gibt es zur Genüge. Oft kam ich bei solchen Gesprächen nicht weiter, wenn ich versucht habe, aus Sicht des anderen zu argumentieren. Dann sitzt man an einem Tisch, aber es scheint, als trennen einen Welten. Resigniertes Schweigen ist die Folge, Unverständnis und eine mehr oder weniger stille Empörung über die Ignoranz des Anderen. Und nicht selten die Trauer über eine Freundschaft, die sich still und leise verabschiedet.
Hast du es schon einmal erlebt, dass du jemand anderen erst verstanden hast, als du seine Geschichte gehört hast? Das aus einem „Wie kann man nur so denken!“ ein gegenseitiges Verstehen und eine Annäherung wurde?
Das erfordert meistens einen großen Sprung über den eigenen Schatten und eine Bereitschaft, seinen Blick zu öffnen. Viele tun dies nicht, weil es verwirrend sein kann, die eigene Position zu hinterfragen. Und es kann einen in Loyalitätskonflikte bringt zu anderen Freunden und Familienmitgliedern: Wenn ich jetzt eine andere Wahrheit zulasse, verrate ich dann nicht die Verbindung zu einem anderen Menschen?
Wenn du jemand anderem wirklich zuhören möchtest, brauchst du die Bereitschaft, eine andere Realitätssicht gelten zu lassen als deine eigene und eine Spannung zwischen scheinbar widersprüchlichen Wahrheiten auszuhalten. Und du hast viel Glück, wenn du jemandem begegnest, der dir mit dieser Bereitschaft begegnet.
Dann kannst du im Gespräch fragen: „Wie kommst du zu dieser Haltung? Was bringt dich auf diesen Gedanken?“ und du kannst fragen: „Möchtest du meine Idee dazu hören?“ und vielleicht hast du die Gelegenheit, dem anderen Menschen deine Geschichte zu erzählen, die dich dazu gebracht hat, deine Ansicht zu bilden. Und mit viel Glück habt ihr beide am Ende des Gesprächs etwas gewonnen. Und vielleicht habt ihr die Gelegenheit zu weiteren Gesprächen, in denen ihr die Gedanken des anderen noch besser verstehen könnt. Und wer weiß, was dann passiert?
Seit einigen Jahren gibt es die Initiative „Deutschland spricht“, die genau dies zum Ziel hat: Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und politischen Ansichten ein einen Tisch und miteinander ins Gespräch zu bringen. Hier erfährst du mehr zu der Bewegung:
https://www.deutschlandfunk.de/aktion-deutschland-spricht-von-der-schnapsidee-zum-100.html
Das ist für mich gelebte Demokratie. Ich glaube, wir brauchen mehr von diesen Gesprächen.
Ob du nun zu Technik 1 oder zu Technik 2 tendierst: Es ist immer gut, sich für die Sicht des Anderen zu öffnen, den du überzeugen möchtest. Und vielleicht erst zuzuhören und dann selbst zu reden.
Das Sprechkonzept Hamburg bietet im November einen Workshop an, in dem du weitere kluge Argumentationsstrategien kennenlernen und deine Überzeugungskraft stärken kannst. Am 4. November leitet der Psychologe und Rhetorikdozent Moritz Meyer den Workshop „Geschickt argumentieren in Alltag und Beruf“. Hier findest du mehr Infos und kannst dich anmelden:
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Viele Geistesblitze und Geduld für deine Gespräche wünscht dir
deine Anne Kühl
Anne Kühl
Dipl.-Sprecherin und Sprechtrainerin
Wie kannst du deine Stimme in einem Verkaufsgespräch optimal einsetzen? Wie lernt man reden? Wie kriegt man schwierige Worte wie "Authentizität" mühelos über die Lippen? Und wie klingst du gut, auch wenn du erkältet bist?
Antworten auf diese und andere Fragen findest du in meinem Blog!
Anne Kühl Dipl.-Sprecherin, Dipl.-Sprecherzieherin
Helmholtzstraße 22 | 22765 Hamburg | Telefon 0049 - 171 - 4890424 | sprechen (at) annekuehl.de
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